In den 1970er-Jahren war das Toggenburg ein Zufluchtsort für Aussteiger*innen und Anhänger*innen der Reformbewegung, ein sicherer Hafen, aus dem es gleichzeitig eine Gruppe junger Männer in die Ferne zog: Für einige Monate oder gar Jahre heuerten sie als Matrosen auf Frachtschiffen an und fuhren um die Welt. Manche kehrten wieder zurück, einige verschlug es in andere Gegenden. Geblieben sind etliche Geschichten, Tattoos und von zuhause mitgebrachte und unterwegs gesammelte Habseligkeiten, die in den kleinen Kajüten mitreisen durften.
Die Erfahrungen der Toggenburger Seefahrer bilden ein knappes halbes Jahrhundert später den Ausgangspunkt, nach gegenwärtigen Bildern vom Meer und der Schifffahrt, nach Sehnsuchts- und Zufluchtsorten und Vorstellungen vom Leben unterwegs, aber auch allgemeiner nach den grossen Verschiebungen zu fragen, die das Leben auf See und an Land von der Kreidezeit bis zur gegenwärtigen Klimakrise prägen. In den letzten fünfzig Jahren ist nicht nur das verfügbare Wissen über fremde Länder, vergangene Zeiten und die geologischen Veränderungen zwischen Wasser und Land gewachsen, auch die ökonomischen und ökologischen Effekte von Globalisierung und Massentourismus sind spürbarer und die Zukunft damit ungewisser geworden.
Die geplante Ausstellung beschäftigt sich mit dem Abhauen und Ankommen, dem Verschwinden und Verlorengehen. Mit der Pandemie hat sich indessen nicht nur ihr Zeitpunkt verschoben, sondern auch unsere Perspektive auf das Heim- und Fernweh: Im Wissen um die Seeleute und Kreuzfahrttouristen, die in den letzten Monaten vom Landgang träumten, aber auch um die kleinen Fluchten, die das Neckertal als nähere Umgebung den Daheimgebliebenen mit seinen Kraftorten und Energieachsen entlang des Jakobswegs ermöglicht hat, wird auch das Toggenburger Haus zum Schiff und die Talsohle zum Meer.
Ein Projekt von Patricia Holder, Christian Hörler, Angela Kuratli und Johannes Stieger